Ich bin ein Produkt, eine Ware, produziert von osteuropäischen Vermehrern. Ich bin vorprogrammiert, ein Wesenskrüppel und verhaltensauffällig zu sein. Ich bin vorprogrammiert, gesundheitliche Probleme zu bekommen.
Ich bin Massenware.
Ich bin Mittel zur Befriedigung menschlicher Profitgier.
Ich bin am 01.04.2008 zur Welt gekommen.
So genau kann ich mich an meine Vergangenheit nicht mehr erinnern, aber das Wesentliche habe ich noch zusammenbekommen.
Meine ersten Lebensstunden, -tage und -wochen habe ich nicht wie viele andere Welpen in einem warmen Raum in familiärer Obhut, sondern in Einsamkeit und Kälte, irgendwo in einem Verschlag verbracht. Meine Mama konnte mich und meine Geschwister kaum ernähren, da sie krank und schwach war.
Viele Menschen erzählen grausame Geschichten, wie es bei solchen Vermehrern zugeht. Ich kann mich gar nicht so recht erinnern, wahrscheinlich habe ich es auch verdrängt. Ich weiß nur noch, dass ich immer Hunger hatte.
Nach einigen Wochen wurde ich mit vielen anderen Welpen in einen Transporter gesteckt. Nach einigen Tagen voller Angst, Hunger und Durst erreichten wir unser Ziel: Spanien, Tu cachorrito...
Ich war, wie meine Leidensgenossen auch, Ware!
Ware, die bestellt und geliefert wurde.
Ware, die vor Ort angepriesen und an Interessenten verkauft wurde.
Spanien, Tu cachorrito – meine zweite Station in meinem Leben. Weit weg von meiner Mama und dem was mir vertraut war, allein in einer fremden Umgebung mit fremden Menschen.
Ich wartete auf meine Interessenten.
Irgendwann, ich war ca. drei Monate alt, lernte ich zum ersten Mal einen Tierarzt kennen. Ich wurde geimpft, gechipt und kurz darauf in eine Kiste gesperrt. Ich wurde viel hin und her getragen, durch die Gegend geworfen und landete in einem lauten komischen Ding, das die Menschen Flugzeug nennen.
Ich trat meine zweite lange Reise in meinem kurzen Leben an.
Nach vielen Stunden wurde meine Kiste endlich geöffnet. Ich hatte meine dritte Station erreicht: Frankfurt-Main/Deutschland. Ich lernte meine neue Familie kennen. Eine spanische Familie, die in der Nähe von Frankfurt ihr Häuschen hatte.
Ich war der Mittelpunkt der Familie und durfte alles.
Ich war ja so süß. Der kleine Sohn wollte immer mit mir spielen. Egal ob ich müde war oder nicht. Außerdem konnte man mich auch immer so schön ärgern, ich war ja noch so klein...
In dieser Familie war es eigentlich ganz ok. Ich durfte alles, ich machte alles, ich lernte mich durchzusetzen.
Es gab keine Grenzen, es gab keine Regeln. Ich wurde größer, ich wurde schwerer, ich wurde kräftiger...ich wurde schwierig.
Ich wurde sechs Monate alt.
Ich musste weg.
Ich war ein Risiko für den Sohn, ich war ein schwieriger Hund, ich war lästig, ich wurde zu teuer, ich konnte nicht mehr als Prestigeobjekt herhalten. Es kündigten sich höhere Tierarztkosten an, ich war nicht mehr erwünscht.
Ich erreichte Station Nr. 4.
Hieran kann ich mich gar nicht mehr erinnern, was auch nicht weiter tragisch ist. Denn Nr. 4 reichte mich recht schnell am Frankfurter Bahnhof an Nr. 5 weiter, einen Mann mittleren Alters, der mich noch schneller weiterreichte. An ein älteres Ehepaar in der Nähe von Bonn.
Station Nr. 6 sozusagen.
Bei den Leuten war es eigentlich auch ganz lustig. Der Mann arbeitet nachts und wollte tagsüber schlafen. Die Frau war aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage, sich mit mir zu beschäftigen. Also hatte ich den ganzen Tag Zeit, mir in Haus und Garten einen Haufen Unsinn auszudenken.
Wenn der Mann nach Hause kam, habe ich ihm erst einmal seine Jacke geklaut und ihn eine ganze Weile hinter mir herlaufen lassen.
Statt Spaziergang...
Von wegen tagsüber schlafen.
Danach habe ich den restlichen Tag damit verbracht, den Garten umzugestalten und regelmäßig das Gartenhäuschen auszuräumen.
Ich durfte alles, ich tat alles, ich kannte keine Grenzen.
Mit acht Monaten fing ich an, alles und jeden zu berammeln. Was nicht bei 1,5 auf den Bäumen war, wurde gnadenlos auf's Korn genommen.
Ich kam so langsam in jeder Hinsicht auf Touren, wusste meine Zähne einzusetzen und hätte mich am liebsten mit jedem und allem gemessen.
Ich habe immer mein Ding durchgezogen. Tagsüber immer Vollgas, immer 200% und abends bin ich in's Koma gefallen. Da war es mir auch egal, wenn mich die alten Leute mal schmusten. Und Schmusen kann ich eigentlich gar nicht. Hat nie jemand mit mir gemacht.
Irgendwann waren auch die alten Leute müde. Hatten keinen Bock auf die Erziehung eines arbeitsintensiven Hundes.
Tierheim, ich komme!!!
Station Nr.7. Im Januar 2009.
Mein neues Zuhause: ein kleiner enger gekachelter Zwinger. Aber immerhin war ich unter Hunden...
Links und rechts von mir kläfften, pöbelten und blafften sie, stressten mich.
Ich verbrachte den ganzen Tag damit, rechts und links des Zwingers hochzuspringen und den anderen Hunden die Meinung zu sagen. Einmal täglich ging's auf`n Spaziergang, ansonsten trainierte ich meine Sprungkraft.
Das Tierheim war auch was ganz Komisches. Irgendwie ging's hier auch um Interessenten. Viele kamen extra für mich und gingen schnell wieder oder kamen kein zweites Mal. Ich war einfach unmöglich. Völlig unerzogen, biss gerne in Füße und Schuhe und schockte anderweitig mein Umfeld.
Eine Familie kam öfter. Sie gingen auch mit mir spazieren.
Am 11.03. wechselte ich wieder meine Wirkungsstätte.
11 Monate alter Rüde, Powerpaket... wechselte zu Station Nr. 8.
Sowas nennt man Wanderpokal.
In meinem neuen Zuhause standen erst einmal genauere tierärztliche Untersuchungen an und ich bekam einen Termin für zwei OPs.
1. ich litt an einem Nickhautdrüsenvorfall
2. ich war Kryptorchist
Meine im Bauchraum befindlichen Hoden kamen raus und das Cherry-Eye kam nach kurzer Zeit wieder.
Ein Augenspezialist in Bonn hat es dann ein zweites Mal fixiert. Es hält immer noch.
In meinem Zuhause Nr. 8 bin ich nun schon fünf Monate. Meine längste Aufenthaltszeit bis jetzt.
Ich bin übrigens Mäx (
http://www.molosserforum.de/vermittl...m-th-bonn.html),
EB, 16 Monate alt,
die Schwimmbutz, die nicht schwimmen kann,
eine Ware, ein Massenprodukt, woran Mensch schnell die Lust verlor.
Ich bin völlig unerzogen, kenne keine Grenzen, keine Regeln.
Ich bin nie sozialisiert worden.
Kenne keine Sicherheit, kein Vertrauen.
Habe nie den Umgang mit anderen Hunden gelernt, kenne ihre Sprache nicht.
Ich habe nie Konsequenzen erfahren, habe keine Beißhemmung gelernt.
Ich kann nicht mit Stress umgehen, habe nie gelernt, selbstständig zur Ruhe zu kommen. Bei Bedrängung oder Reglementierung gehe ich gerne nach vorne.
Ich neige zu Zwangshandlungen und Übersprungshandlungen.
Ich drehe schnell auf und finde den Weg nicht mehr runter.
Ich will mich immer nur messen...
Ich bin eine unmögliche, schwierige Englische Bulldogge. Ich schaffe es regelmäßig, meine neuen Besitzer zur Verzweiflung, an ihre Grenzen zu bringen.
Aus der Haut, in der ich stecke, komme ich einfach nicht raus...
Ich bin ein Produkt profitgeiler Menschen. Ich bin ein Wesenskrüppel.
Ich bin erst 16 Monate alt.
Warum bloß stehen meine Menschen jeden Tag auf's Neue auf, krempeln die Ärmel hoch, durchleben und durchleiden einen weiteren Tag mit mir?
Mit der Schwimmbutz, die abtaucht, wenn sie den Boden unter den Pfoten verliert!