Einzelnen Beitrag anzeigen
  #1 (permalink)  
Alt 05.03.2005, 13:03
Benutzerbild von Faltendackelfrauchen
Faltendackelfrauchen Faltendackelfrauchen ist offline
Faltendackelsüchtig
 
Registriert seit: 25.02.2005
Ort: Franken
Beiträge: 1.585
Standard Fingerspitzengefühl und nicht gleich aufgeben

Hallo zusammen,

nun habe ich hier im Forum einige mißglückte Vermittlungen mitbekommen. Man kann nur mit dem Kopf schütteln mit welcher Unwissenheit viele Interessenten an die Sache herangehen.

Man hat den Eindruck, die Leute glauben, ein aufgenommener Nothund hat sich sofort und für immer einzufügen ohne wenn und aber. Ein Nothund hat einen "dankbar" zu sein usw. usw.

Wieso sind die Leute nicht in der Lage, sich in die Situation des Hundes zu versetzen?

Der Hund wurde entwurzelt, kommt in ein neues Zuhause, hat vielleicht viele schlechte, eventuell traumatisierende oder keine Erfahrungen mit anderen Menschen, Tieren, Umgebungen gemacht. Wie wehrt sich ein Hund, wenn er sich nicht zu helfen weiß?? Richtig, mit den Zähnen, denn oft verstehen die Menschen seine Körpersprache nicht, ignorieren seine Gesten und Hinweise. Ein Hund, der dann zum letzten Mittel greift, ist noch lange keine Bestie!

Ich habe im November Berta genommen. Es hieß, sie habe einen großen Schutztrieb und sei futterneidisch und als Zweithund nur bedingt geeignet.

Es lief dann so, wie oft bei umplazierten Hunden:

Der neue und der alte Hund beobachteten die neue Situation zwei Wochen lang und versuchten zu sondieren und auszukundschaften. Alles blieb friedlich. Ich hoffte auf eine reibungslose Eingliederung.

So und dann ging hier der Tanz ab. Berta tyrannisierte Paul, es war vom feinsten. Sie verprügelte ihn wegen jeder Kleinigkeit, biß ihn Löcher in Wamme Nase und ein Riesenloch in die Lefze. Das ging 4 Wochen. Ich hatte Angst, ich würde es nicht geregelt kriegen. Aber Weggeben kam nicht mehr in Frage. Ich hatte mich für Berta entschieden. Ich mußte beide alleine lassen, denn ich arbeite! Ich hatte Angst, ich käme heim und beide wären verbissen. Und siehe da, nun hat sich alles eingespielt. Beide spielen, manchmal wird es zu grob, ich muss es unterbrechen, aber beide wissen, wie sie miteinander umzugehen haben.

Dann dieser angebliche "Schutztrieb". Berta verbellte Passanten, richtig böse. Aber nur 2x. Das Training begann ich sofort. Gegenkonditionierung: Wenn Leute uns entgegen kamen, wurde sie mit guten Futter ins Fuß gelockt und dafür belohnt. Nun kommt sie bei jedem Passanten freiwillig angewetzt. Dennoch wird sie angeleint, damit alte Gewohnheiten nicht durchbrechen und wir am nächsten Tag in der Zeitung stehen.... Andere hätten Berta böse bestraft, sie geschüttelt, angeschrieen, auf den Boden geworfen oder mit Disk oder Kette beworfen. Für Berta hätte das bedeutet, noch unsicherer zu werden, denn Passanten bedeuten Schlechtes. Das Verhalten wäre vielleicht unterdrückt worden, aber die Angst wäre geblieben. Vielleicht wäre das Verhalten auch stärker geworden (haben wir auf dem Hundeplatz immer wieder)....Streß für alle Beteiligten. Nein, so muß es nicht laufen!

Manche Dinge brauchen ihre Zeit. Meist kann man es in den Griff bekommen, wenn nicht alleine, dann mit professioneller Hilfe.

Ich habe bei meinen 8 Hunden in 17 Jahren schon einiges mitgemacht. Bis auf einmal haben wir es immer den Griff bekommen, auch wenn es schon mal länger gedauert hat.

Das Problem ist, dass die Leute kein bisschen Einfühlungsvermögen haben und immer nicht realisieren, dass Hunde Zähne haben, um sie zu benutzen, wenn sie sich dazu gezwungen fühlen, wenn sie unsicher sind und Angst haben oder wenn sie ihre Rangposition verletzt fühlen.

Anfangs sind alle neuen Familienmitglieder Fremde, der neue Hund ist unsicher. Das ist Grund genug für Aggression. Aber auch das Gegenteil hört man immer wieder. Oft werden dem neuen Hund keine klaren Regeln gesetzt, der Hund bekommt Privilegien, die ihn größenwahnsinnig werden lassen und in den Glauben versetzen, er wäre der Ranghöchste. Viele lassen den "ach so armen Tierschutzhund" sogleich auf die Couch, streicheln ihn, wenn er will, verwöhnen ihn und machen quasi alles falsch. Benutzt der Hund im irrtümlichen Glauben, seine "Angestellten" hätten seinen Wünschen nicht entsprochen, dann die Zähne, heißt es, er sei "gefährlich" und man hat ihn aus Sicherheitsgründen leider doch einschläfern müssen.

Leider erkennt man oft nicht, wie kompetent oder inkompetent die Interessenten sind und oft ist es auch bei einem fremden Hund, den man vermittelt nicht ersichtlich, wie soverän oder instabil er in Streßsituationen (Umplazierung sind Streßsituationen) ist.... sonst wäre Vermittlung einfacher.

Mein Appell an alle, die einen erwachsenen Hund dazu holen: Geduld, Beobachten, Hunderegeln aufstellen, einhalten, niemals grob, brutal werden. Bei ersten Problemen sofort kompetente Hilfe (also nicht den Hundesportverein um die Ecke, sondern wirkliche Hundeexperten) einholen.

Aber auch die Welpenkäufer brauchen jetzt nicht zu sagen: Siehste, deshalb habe ich einen Welpen, da kann mir das nicht passieren. Quatsch!! Da dauert es halt ein paar Monate länger und dann geht es manchmal genauso rund und diesselben Argumente (Schutz der Menschen) führen häufig zur Todesspritze.....

Tschüss

Faltendackelfrauchen mit nun "stabilisierten" Faltendackel Paul und Zwergvampier Berta (die zur Zeit nur noch droht, wenn Paul etwas falsch macht)

Geändert von Faltendackelfrauchen (05.03.2005 um 13:08 Uhr)
Mit Zitat antworten