Vielen Dank für eure Anteilnahme!
Ich hab Käthchen im Garten begraben und bin froh, diese Möglichkeit zu haben.
Es ist so still ohne sie: kein empörtes Gekläff, kein Getrippel und Emma kuckt, wo ihr Echo bleibt, wenn´s klingelt
und doch ist sie noch überall, nicht zuletzt in Form von widerspenstigen Haaren auf schwarzen Klamotten...
Endlich habe ich den Text wiedergefunden, den ich in einem anderen Forum veröffentlicht habe als sie etwa ein Jahr bei uns war: (Vorsicht: lang
)
Der Besuch der alten Dame
Käthe macht Urlaub
Gut anderthalb Jahre war ihr Mann nun schon tot und obwohl es anfangs nicht leicht für Käthe gewesen war, hatte sie sich doch inzwischen an ihr neues Leben gewöhnt.
Gerade die erste Zeit war recht schwierig gewesen. Sie hatte keinen Beruf erlernt, ihr Mann hatte alle Unannehmlichkeiten von ihr ferngehalten und so sah sie sich den Anforderungen des Alltags recht hilflos ausgeliefert. Hinzu kamen Streitigkeiten mit den Erben, die weder die Verantwortung für sie übernehmen wollten noch die Kosten für einen Heimplatz.
Doch sie war schnell in einer Wohngruppe untergekommen, in der sie sich wohl fühlte und die sie aufbaute und schon bald erhielt sie ein Angebot bei einer Familie in einer anderen Stadt als Gesellschafterin zu leben.
Käthe war intelligent, freundlich und aufgeschlossen und lernte schnell, was man von ihr erwartete. Sie mochte den Umgang mit anderen und fügte sich problemlos in den Tagesablauf ein.
Während ihre neue Familie arbeitete machte sie ein Nickerchen, begrüsste die anderen Bewohner des Hauses, die an ihrer Etage vorbeikamen oder hielt einen Schwatz mit den Paketlieferanten.
Wenn die Familie von der Arbeit zurückkam, fanden gemeinsame Unternehmungen statt. Täglich waren sie auf Feldern und Wiesen unterwegs, trotzten Wind und Wetter und scheuten auch ärgsten Regen und Sturm nicht.
Käthe machte alles tapfer mit, rümpfte jedoch insgeheim ihre etwas spitze Nase und fragte sich, ob ihre Familie eigentlich wusste, was sie ihr zumuteten.
Da gefielen ihr die Ausflüge zum Pferderennen und auf Märkte weitaus besser, ebenso die Besuche in Restaurants und Kneipen. Hier konnte sie ihren ganzen Charme zum Einsatz bringen und kaum jemand konnte ihr widerstehen.
Ganz neu für Käthe war Sport. Auf ihre alten Tage begann sie zu joggen und zu skaten und als sie bemerkte, wie die überflüssigen Pfunde purzelten, die von ihrem Luxusweibchendasein stammten, war sie kaum noch zu halten. Nach kurzer Zeit hatte sie bereits eine Figur wie ein junges Mädchen, obwohl ihr Bauch wohl nie wieder so straff sein würde, aber insgesamt fühlte sie sich jünger und gesünder.
Ja, ein wenig eitel war Käthe.
Nie verliess sie das Haus ohne perfekt sitzenden Lidstrich und das helle Haar, von weissen Strähnen durchzogen, umrahmte weich ihr schmales Gesicht.
Alles in allem hatte Käthe es gut getroffen, nur manchmal vermisste sie noch ihr altes Leben, denn obwohl sie auch jetzt umsorgt wurde, wurde deutlich mehr Selbständigkeit von ihr erwartet.
Doch dann war sie den Eheleuten K. begegnet, die sie schnell in ihr Herz schlossen und einluden, ihren Urlaub bei ihnen zu verbringen.
Anfangs war sie nicht sicher, was man von ihr erwarten würde, aber jetzt sass sie im Wagen, der sie zu ihrem Urlaubsdomizil bringen würde, und malte sich die kommenden Tage aus.
Morgens würde sie Herrn K. bei einigen Geschäften, die zu erledigen waren, begleiten und auf dem Rückweg würden sie für das Frühstück Brötchen besorgen, das Frau K. inzwischen angerichtet hatte.
Vormittags würde sie mit Frau K. Besuch empfangen, Käthe würde den Gesprächen lauschen und ihren Beitrag dazu leisten. Häufig würde der Nachbar Manni vorbeischauen, ob noch alles in Ordnung sei und hin und wieder würde sie zu dessen Frau gehen und mit ihr ein paar Neuigkeiten austauschen.
Frau K. war eine hervorragende Köchin und freute sich, eine so begeisterte Esserin wie Käthe zu bewirten und diese hoffte, dass es zur Begrüssung ihr Lieblingsessen gab.
Vor dem Mittagessen würde sie mit Frau K. den Garten abgehen, die Blütenpracht bewundern und beraten, welche Kräuter im Essen Verwendung finden würden, würde mit ihr diskutieren, was mit dem Fallobst geschehen solle und würde sich um Mäuse, Maulwürfe und andere Schädlinge kümmern.
Vier- bis fünfmal täglich würden Snacks gereicht werden und nach dem Mittagessen würde sie ein Schläfchen im sonnigen Garten geniessen. Vielleicht würde auch Frau K. ihr weiches Haar bürsten und sie sanft massieren, während sie Käthe etwas erzählte und sich für ihre Antwort interessierte.
Fast noch lieber unterhielt sie sich mit Herrn K. Obwohl sie nicht immer verstand wovon er sprach, konnte sie kaum genug von seiner tiefen Stimme bekommen und daher würde sie ihn zum Weiterreden ermuntern und vielleicht sogar mit seinem tiefen Lachen belohnt werden.
Am schönsten aber würden die Nachmittagsausflüge werden. Sie würden mit dem Bus in die Stadt fahren, einkaufen, durch schicke Läden bummeln, Schaufenster ansehen und vielleicht ein Eis essen oder ein Bier trinken. Sie würde im Bus auf ihrem Platz sitzen, aus dem Fenster schauen oder die anderen Passagiere beobachten. Wenn ihr einer besonders gefiel, würde sie ihm zuzwinkern und sich darüber freuen, wenn er zurücklächeln oder sogar ein Gespräch mit ihr beginnen würde.
Spaziergänge würden auf Waldwegen oder in angelegte Parks führen und es gäbe keinen Grund für Käthe missbilligend die Lippen aufeinanderzupressen wie bei den Offroad-Vergnügungen ihrer Familie.
Die Abende würden sie gemeinsam vor dem Fernseher verbringen, Nüsse knabbern oder Obst und Käse. Sie freute sich auf die Sportübertragungen, die sie in ihrer Familie viel zu selten sah. Besonderen Gefallen fand Käthe an Fussballspielen. Zwar verstand sie nicht immer, worum es ging, aber sie verfolgte das Spiel aufmerksam und jubelte oder schimpfte, wenn ein Tor fiel und regte sich über die Entscheidungen des Schiedsrichters auf – so viel hatte sie begriffen, dass der sowieso immer Schuld hatte…
Käthe schrak aus ihren Gedanken auf als der Wagen um die Ecke bog. Das Haus der K.s kam in Sicht und sie erinnerte sich, dass sich ihr Gepäck im Kofferraum befand.
Es gab keinen Zweifel mehr: Sie würde tatsächlich ihren Urlaub hier verbringen! Sie bebte vor Aufregung am ganzen Körper.
Frau K. hatte sie bereits erwartet, sie öffnete die Tür.
Käthe war jetzt nicht mehr zu halten. Leichtfüssig sprang sie aus dem Auto und lief zum Haus, ihre Freude kannte keine Grenzen...
Laut kläffend sprang sie um Frau K. herum, versuchte an ihr hochzuspringen, die Hände zu erreichen, um sie abzulecken. Japsend umrundete sie Frau K. sprang die Treppe hinauf und wieder hinunter, bellte immer wieder und begrüsste Herrn K., der versuchte sie abzuwehren, genauso aufgeregt und war völlig ausser sich.
Erst als Frau K. ihr vor dem Kühlschrank in der Küche "Sitz!" befahl und sie mit einem Stück Wurst belohnte, konnte sie sich wieder beruhigen.
Copyright: Heike Selck, 2009