Einzelnen Beitrag anzeigen
  #10 (permalink)  
Alt 15.06.2005, 00:11
Benutzerbild von Faltendackelfrauchen
Faltendackelfrauchen Faltendackelfrauchen ist offline
Faltendackelsüchtig
 
Registriert seit: 25.02.2005
Ort: Franken
Beiträge: 1.585
Standard

Hallo zusammen,

Paul war nie ein "normaler" Raufer. Die Frage ist aber eh, was ist ein "normaler" Raufer? Ob Pauls "Geschichte" Birgit hilft, weiß ich nicht, denn ich kenne ja nicht die genaue Beschreibung. Aber gut, hier Pauls Geschichte. Paul hatte bis zum Alter von 1 Jahr positive Kontakte auf dem Hundeplatz (beim Vorbesitzer), dann nicht mehr, er wurde systematisch und absichtlich von Mensch und Tier isoliert. 2 mal wurde er in dieser Zeit trotzdem von Hunden massiv gebissen (mußte jeweils genäht werden). Als ich ihn bekam, war er extrem eingeschüchtert (ließ Wasser unter sich, wenn ein Mensch ihn anfaßte), vertrug sich erst mal mit Hunden. In den nächsten Monaten wurde er leider von Hunden 5 x angegriffen, böse verbellt, in die Hacken gebissen, leider 2x auch von Hunden, die er kannte. Weil er bei uns ein Listenhund ist, konnte ich ihn nicht frei lassen, damit er sich wehrt, das hätte bei unserer Rechtsprechung sein Ende bedeuten können. Erschwerend kam hinzu, dass er auf dem Hundeplatz immer im Auto warten mußte, wenn ich Stunde abhielt. Der Übungsleiter muß einsatzbereit sein, somit muß der eigene Hund im Auto warten. Das haßte Paul. Im Frühjahr hatte ich den Salat, er griff sofort alle fremden Hunde an, die auf ihn zugingen. Am schlimmsten auf den Hundeplätzen, selbst wenn ich dort nicht Übungsleiter war, sondern selbst mitübte. Sämtliche Standardlösungen versagten kläglich. Eines Tages nach dem Rausschmiss aus der Raufergruppe entkam Paul auf dem Platz aus dem Auslauf und walzte über einen kleinen Dackelmix hinweg. Ein langjährige Mitübender sagte daraufhin. "Weißt Du überhaupt, dass Paul niemanden etwas tun will?? Er will nur Deine Aufmerksamkeit". Diese Vermutung hatte ich von Anfang an, hatte dies aber nicht wahr haben wollen. Nun fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Ich überlegte, dass also sämtliche "Strafaktionen" zum Scheitern verurteilt waren, weil er damit sein Ziel "Aufmerksamkeit" erreichte. Was wäre nun für Paul die größte "Strafe"? Na klar!! Im Auto zu warten. Also parkte ich das Auto ca. 5 m entfernt, ließ die Türe offen. Jedesmal wenn er eine Attacke startete, packte ich ihn wortlos und unmittelbar ins Auto. Am ersten Tag war das 4x, eine Woche später 2x, dann je nur noch 1x und von da ab nur noch selten, wenn der andere Hunde seinerseits durch Kläffen provozierte. Selbst dann bleibt Paul heute meist ruhig. Wir gehen auf Obediencetuniere mit Dutzenden von Menschen und Hunden. Nur zu Nahe dürfen sie ihm noch nicht kommen (weniger als 50 cm), wenn er liegt oder sitzt. Damit "Ins Auto" für ihn nicht grundsätzlich eine Stafe ist, bekommt er meist ein Stück Hundekuchen, Ochseziemer, Pansen oder ähnliches, damit er auf dem Hundeplatz lieber im Auto bleibt, als früher. Das klappt auch ganz gut. Und zur Belohnung für braves Warten darf er anschließend "arbeiten", d. h. er hat meine volle Aufmerksamkeit, auch oft "vor Publikum" (d.h. Hunde und Menschen sind für ihn nun toll, denn er darf ja mit mir arbeiten). Wenn machbar, nehme ich ihn bei der Gruppe immer mit raus, nur zur Zeit haben wir viele schwierige Mensch/Hunde-Teams.

Paul verträgt sich grundsätzlich mit allen Hunden, ist halt nur sehr trampelig und rempelt die Hund auch heute freilaufend in der Gruppe noch an, wenn sie vorne weg laufen wollen. Aber gebissen hat er noch nie! Bei guten Freunden ist er nachgiebig und eher der Looser, der immer gebissen wird. Berta - seine Frau - hat ihn fest im Griff! Frei laufen lassen auf dem Platz werde ich ihn sicher auch die nächste Zeit nicht können, weil er sonst über alle Hunde hinwegrennt und das kommt bei Pudel- und Borderbesitzern nicht gut an. An der Leine benimmt er sich eben mittlerweile meist sehr gesittet und anderen Hunden gegenüber gleichgültig.

Auf dem Platz haben wir zur Zeit einen anderen drastischen Fall. Eine 10jährige DSH greift jeden Hund an und beißt richtig zu. Sie hasst Hunde. Folgender Ansatz brachte eine Besserung, leider ist er im Alltag nicht so zu trainieren, aber immerhin kleine Erfolge haben wir. Solange der DSH tobt, bleiben die Hunde in seiner Nähe. Beruhigt sie sich, gehen zur Belohnung die Hunde weg. Innerhalb weniger Wochen erträgt sie nun auf dem Platz Hunde bereits in 2 m Entfernung, das war vorher bei einer anderen Übungsleiterin undenkbar war. Das Ziel ist nicht, sie in die Gruppe zu integrieren (illusorisch), sondern dass sie angeleinten Hunden gegenüber gleichgültig bleibt.

Ich würde bei der DSH noch eine "knallharte" Vorgehensweise empfehlen, doch das ist der Besitzerin zu aufwändig. Die DSH würde bei mir nur noch Futter bekommen, wenn sie bei Hundebegegnungen ruhig bleibt. Nach spätestens 1 woche hätte sie den Zusammenhang zwischen "ich werde satt, wenn ein Hund kommt und ich brav bin" verstanden. Diese "Extrem-Methode" haben wir bereits bei anderen erfolgreich eingesetzt. Strafen, Rucken, Schreien oder was auch immer haben auch bei dieser DSH bisher sowenig Erfolge gebracht wie bei Paul (ich hatte es natürlich in meiner Hilflosigkeit anfangs mit diesen klassischen Methoden versucht). Ich glaube, man muss sich einfach mehr in den Hund hineinversetzen, will man den richtigen Dreh finden. Oft mögen Strafen helfen, ein bestimmtes Verhalten zu unterdrücken, aber es ginge sicher anders angenehmer und sinnvoller. Strafe kann durchaus auch zur Problemsteigerung führen, dann nämlich, wenn der Hund die Strafe mit dem anderen Hund verknüpft (häufig beim Einsatz von schmerzhaften Methoden).

Je länger ich mit Hunden zu tun habe, desto seltener wende ich Strafe an. Strafe ist meiner Erfahrung nach oft nur ein Ausdruck der Hilflosigkeit.

So, das war ein "kurzer" Abriss.....

Vielleicht erzählt Birgit mal genauer, wie sich ihr Raufer benimmt??!!!

Tschüss

Faltendackelfrauchen

Geändert von Faltendackelfrauchen (15.06.2005 um 00:20 Uhr)
Mit Zitat antworten