Lesenswert
Ein Bulli erzählt!
Nach einer kurzen aber leidenschaftlichen Liebschaft meiner Eltern, wurde ich im Haus eines Menschen geboren. Wie ihr sehen könnt, zum Glück nicht alleine. Das war vielleicht ein Theater, ganz aufgeregt vor Freude begrüßte dieser Mensch - man nennt ihn auch Züchter, wie ich später erfahren konnte - jeden von uns mit freundlichen Worten. Für mich unbegreiflich, bekam ich doch langsam Angst um meinen Platz an der Milchbar. Doch versteh einer die Menschen, wie mir erzählt wurde, durfte meine Mutter nicht einmal unseren Vater selbst auswählen. Keiner war unserem Züchter gut genug, der eine war zu groß, der andere konnte sich nicht gut genug benehmen und so weiter....
Gewissenhafte und kontrollierte Hundezucht wird so etwas bei den Artgenossen unseres Züchters genannt. Nach einiger Zeit aber, durften meine Geschwister und auch ich die Vorzüge dieser kontrollierten Hundeliebschaften kennenlernen. Jeden Tag wurde mit uns im Haus und auch im Garten gespielt, ständig durften wir neue Menschen - große und kleine - Gerüche und Geräusche kennenlernen. Wir vermuteten in unserer kindlichen Dummheit, daß unser Züchter uns mit diesem ganzen Spektakel eine Freude bereiten wollte, doch weit gefehlt, auch hier hatte er schon wieder Hintergedanken. Nach seinen Vorstellungen sollte das ganze Theater unserer späteren Entwicklung dienen, denn aus meinen Geschwistern und mir, sollten liebenswerte und umgängliche Hunde werden. Eines Tages war es dann soweit, ich mußte Abschied nehmen von meiner Mutter, meinen Geschwistern und der Familie meines Züchters Doch wurde es mir nicht sehr schwer gemacht. Meine neuen Menschen waren für mich keine unbekannten, sie hatten uns zuvor schon oft besucht. Sofort habe ich sie wiedererkannt. Habe ich doch etliche Stunden mit ihnen gespielt und wenn ich geschlafen habe, unterhielten sich die beiden ausführlich mit unserem Züchter über meine Rasse, Pflege und Auf- zucht, ihre Wohnverhältnisse usw. Es haben uns sehr viele Menschen besucht, doch stellte unser Züchter an unsere neue Familie ebenso hohe Ansprüche wie an unseren Vater und wie ihr euch denken könnt, hat er auch in diesem Punkt sehr gewissenhaft ausgewählt. Bei meiner neuen Familie erwarteten mich viele neue Eindrücke und Erlebnisse. Am wichtigsten war ihnen aber, daß ich mich immer und überall anständig benehmen würde, was für einen Bulli wie mich natürlich keine besondere Schwierigkeit bedeutet. So lernte ich Autos und fremde Hunde kennen, auch andere Tiere und die Stadt mit ihrem Lärm und den vielen Menschen sollten meiner Schnüf- felnase nicht vorenthalten bleiben.
Wo wir gerade meine Schnüffelnase und Menschen erwähnen, da habe ich einige sehr eigenartige Erfahrung machen müssen. Zu Zeiten als ich noch ein Dreikäsehoch war, habe ich nur nette und freundliche Menschen kennensgelernt, ich durfte an allen Kindern und auch an fremden Hunden schnüffeln und wenn sie lieb waren, auch mit ihnen spielen. Für alle Menschen war ich der kleine, süße Fratz. Doch jetzt wo ich langsam Erwachsen werde, gehören diese schönen Erlebnisse leider der Vergangenheit an. Jetzt lerne ich die merkwürdigsten Menschen kennen. Menschen, die mein Herrchen und mich beschimpfen gefährlich und kriminell zu sein, nur weil einige von ihnen mit meinen Artgenossen nicht umgehen können oder diese sogar zu schlimmen Taten mißbrauchen. Dann gibt es Menschen, sie werden Journalisten genannt, die üble Gerüchte über mich und meine Kumpels ver- breiten. So sollen wir über 3 Tonnen Beißkraft und 84 Zähne verfügen - völlig absurd müßte sich hier schon eine Bullterrierhündin mit einem Alligator eingelassen haben. Andere berichten wir hätten 3 Kiefergelenke und wären alle krankhaft bösartig. Doch es kommt noch viel schlimmer, so gibt es einige Rudelführer unter den Menschen, sie werden so glaube ich Politiker genannt und Menschen in langen schwarzen Gewändern - diese sollen gerechte Urteile sprechen - die diesen unwahrscheinlichen Geschichten glauben schenken. Sie können nicht glauben das wir Hunde, selbst unter den eigenen Geschwistern, genauso verschieden sind, wie die Menschen selbst. Sie sind der Meinung, weil einige von ihnen uns Hunde zu ihren Zwecken aus- bilden und mißbrauchen, müßten sie, alle von uns und Herrchen wie den meinen, dafür bestrafen. Die Ignoranz der menschlichen Rudelführer und der Menschen in den langen schwarzen Gewändern, sowie die Hilflosigkeit der Menschen, die Kriminalität der eigenen Art wirkungsvoll zu bekämpfen, bedeutet für viele meiner Kumpels -wie oben zu sehen- das Ende eines schönen Lebens. Ich hoffe nur, daß meine Familie auch weiterhin zu mir hält...
__________________
Gruss Tanja mit Lorenzo und Titus im Herzen
Wer die Tiere kennt,lernt die Menschen zu hassen...
|